Lesung Tilman Röhrig

Im Rahmen der 15. Celler Jugendbuchwoche vom 26.09.-30.09.2022 fand am vergangenen Donnerstagabend in der Buchhandlung Thalia eine Lesung des Spiegel-Bestsellerautors Tilman Röhrig statt. Er präsentierte einige Passagen seines neuen Romans Der Maler und das reine Blau des Himmels. Der Maler, um den es geht, ist der Expressionist Franz Marc, dessen blaue Pferde weithin bekannt sind.

Nach einem Grußwort des Filialleiters Tilman Köster und einigen einführenden Gedanken zur Thematik nahm der Autor die Zuhörer mit ins Jahr 1906.

Die Lesung beginnt mit dem Anfang des Romans, in dem chronologisch aus der Sicht der weiblichen und der männlichen Hauptfigur erzählt wird. Wie auch schon in früheren Romanen Röhrigs begegnen wir zuerst der weiblichen Hauptfigur, hier Maria Franck, der späteren Ehefrau von Franz Marc. Am Anfang steht die eher private Perspektive, welche sich dann zunehmend weitet, um den Blickwinkel auf das historisch bedeutsame Thema zu lenken.

Durch Marias seelische Not aufgrund einer bevorstehenden Heirat zwischen Franz und ihrer Kunstlehrerin Marie Schnür, wird noch vor der direkten Begegnung mit dem Mann, um den es eigentlich in diesem Roman gehen wird, ein Konfliktfeld des Romans sichtbar, nämlich die Position des Malers im Spannungsfeld mehrerer Frauen. Während Maria sogleich das Mitgefühl und die Sympathien der ZuhörerInnen erlangt, muss man sich an Franz Marc selbst erst gewöhnen.

Doch dann erlebt man einen jungen Mann, der auf seiner Suche nach einer neuen Form des künstlerischen Ausdrucks um Klarheit und Freiheit ringt, aber doch immer wieder an Grenzen stößt. Dies wird vom Autor eindrucksvoll anhand eines Ausstellungsbesuchs der neuen Künstlervereinigung dargestellt, während dem das Publikum die ausgestellten Werke, vor allem aber die Kandinskys, voll Abscheu bespuckt. Der Text lässt hier die ZuhörerInnen die Not der Künstler in dieser Situation spüren, man fühlt das Entsetzen und die Machtlosigkeit mit, die Marc und sein Umfeld einer Gesellschaft gegenüber empfunden haben müssen, die allem Neuen, Andersartigen verschlossen begegnete.

Im weiteren Verlauf der Lesung erfahren die ZuhörerInnen dann auch etwas über den Titel des Romans. Im Gespräch mit August Macke, der bis zu beider viel zu frühem Tod während des Ersten Weltkrieges sein Freund bleiben soll, erklärt Franz Marc seine Liebe zur Farbe Blau. Für ihn symbolisiert sie das männliche Prinzip, sie ist herb, durchgeistigt und stark. Macke jedoch empfindet Blau alleine als zu traurig und ohne Leichtigkeit, sodass er vorschlägt, Gelb zur Aufheiterung hinzuzufügen. Damit begegnen sich beide in ihren Ideen, denn Gelb ist für Franz das ergänzende weibliche Prinzip, welches Sanftmut, Sinnlichkeit und Heiterkeit mitbringt.

Schließlich dürfen die ZuhörerInnen die beiden Künstler noch bei der Erstellung ihres gemeinsamen Wandbildes „Das Paradies“ begleiten. In der Fertigstellung dieses Werks wiederholt sich das Gelb als weibliches, ergänzendes Prinzip, denn Maria vervollständigt das Bild mit einer Biene.

Aber nicht nur August Macke wird als Wegbegleiter Marcs gezeichnet, sondern auch viele andere Künstlerpersönlichkeiten aus dem beginnenden 20. Jahrhundert erhalten im Roman ihre Auftritte. Zur Erheiterung der ZuhörerInnen präsentiert Röhrig am Ende der Lesung noch einen überraschenden Moment des Romans, nämlich eine kurze Episode über Else Lasker-Schüler, mit welcher Marc zwischen 1912 und 1914 über künstlerisch gestaltete Postkarten korrespondierte. Dabei schlüpfte sie in die Rolle des Prinzen Jussuf von Theben, während Marc sich der blaue Reiter nannte. Dem Autor gelingt es, das Skurrile an dieser Situation so darzustellen, dass es witzig und unterhaltsam wird.

Das Schöne an der Schreibweise Röhrigs ist, dass zeitgleich der Blick ins Innere der Figuren führt und die historischen Zeitumstände spiegelt. Wenn man dann auch noch den geübten, sehr lebendigen Vortrag des Autors genießen kann, lässt sich von einem absolut lohnenswerten und sehr gelungenen Abend sprechen.

[Text und Foto: Nathalie Groß]

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